Thailand für Fortgeschrittene

Leben als Gastschüler in einer fremden Kultur. Wir begleiten einen deutschen Austauschschüler durch sein Jahr voller Abenteuer.

Als er aus dem Bangkoker Flughafen trat, fühlte er sich, als liefe er gegen eine Wand. Die extreme Hitze in den von Smog und Sommer erhitzten Straßen Bangkoks machte ihm zu schaffen. „Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Die verstopfte Stadt voller hupender 3-Rad-Taxis lag unter einer Dunstglocke. Der Geruch von scharfem Essen und halb verbranntem Benzin stieg mir in die Nase.“

Als einer von dreißig Deutschen sollte Janis nun also sein Abenteuer Austauschjahr in Thailand verbringen. Elf Monate voll neuer Kulturen und Erlebnissen lagen vor ihm. Möglich machte ihm das der AFS(siehe Infobox) Zunächst nahmen alle an einem Camp teil, das in einem noblen Hotel Bangkoks stattfand. „Das Essen war international, aber fühlten uns schon sehr thailändisch. Erst später wurde uns klar, wie Thailand wirklich war.“

Das besagte später ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem sie einen Crashkurs in thailändischer Kultur abgelegt hatten, wurden sie in ihre über ganz Thailand verteilten Gastfamilien geschickt. Janis neues Zuhause sollte im Nordosten des Landes liegen, etwa 50 Kilometer von der Laotischen Grenze entfernt. Seine Familie, Farmer in einem kleinen Dorf, nahm ihn sofort herzlich in Empfang. „Ich war vollkommen fasziniert von der Wärme und Zärtlichkeit die sich mich gleich spüren ließen.“

Noch am ersten Tag wurde er mit dem typisch-thailändischen Essen konfrontiert. „Es gab Klebreis mit etlichen ungewöhnlichen Beilagen. Nachdem ich alles probiert hatte, beschloß ich erst einmal hungrig ins Bett zu gehen.“ Das thailändische Essen war doch sehr gewöhnungsbedürftig.

Am nächsten Tag sollte sein erster Schultag sein. Er hatte eine eigene Schuluniform bekommen, die sogar seinen neuen Namen trug. Er hieß jetzt Tawan Kamma oder Ton. Diese Namen gab ihm seine Familie, wobei Tawan Sonne heißt und Ton, der Spitzname, soviel wie Baum. Die thailändische Schule hat so gesehen mit der deutschen nicht viel Gemeinsames. Morgens fuhr er mit Wattana, seinem Gastbruder, zur Schule. Dort fand jeden Morgen eine Versammlung vor dem Schulgebäude statt. Beim Fahne hissen wurde die Nationalhymne gesungen, dann sprach man ein buddhistisches Gebet und die Lehrer klärten darüber auf, was für den jeweiligen Tag wichtig war. „Anfangs verstand ich kein Wort. Ich konnte mit Mühe und Not vor der ganzen Schule erzählen, wer ich war und woher ich kam. Den Rest übernahmen die Lehrer. Als ich die ersten Worte sprach, brachen alle in brüllendes Gelächter und Jubelrufe aus.“ So etwas sollte ihm noch oft passieren, bis er schließlich mit der Zeit immer mehr verstand und auch einwandfrei reden konnte.

Jeder Schultag wurde zum besonderen Erlebnis, auch wenn er nicht alles verstand, so waren die Thailänder doch stets freundlich und hilfsbereit. Er besuchte die zwölfte Klasse, in Thailand das letzte Schuljahr vor dem Studium. Thailändische Klassen bestehen aus mindestens 40 Leuten. „Es war schön, dass ich so viele Mitschüler hatte, so fand ich jede Stunde jemand anderen, der sich mit mir unterhielt und seine Aufmerksamkeit nicht dem Unterricht widmete.“

„Irgendwann lief die Zeit dann immer schneller und ruckzuck waren die ersten Monate rum. Im Dezember sollte dann nun der Geburtstag des Königs gefeiert werden, der Vatertag.“ Am 4. Dezember finden in Thailand die Feierlichkeiten in Schulen statt. Der darauffolgende Tag ist dann ein Feiertag und alle Schüler sind von der Schule befreit. Für die Feier bereiten die Klassen etliches vor. Janis spielte die Rolle eines Chinesen in einem von den Schülern erdachten Theaterstück. „Ich sagte maximal drei Sätze, doch alle waren begeistert.“ Den ganzen Tag über wurde dann gegessen und viele Partys wurden gefeiert. Das sollte Janis zum Verhängnis werden. Am nächsten Tag, dem eigentlichen Vatertag wachte er mit starken Schmerzen im rechten Teil des Bauches auf. Nach einiger wurde er ins Krankenhaus gefahren. Bis jedoch letztendlich festgestellt war, dass es sich um eine Blinddarmentzündung handelte, dauerte es noch einige qualvolle Stunden. „Ich hatte das Gefühl, als ob jede Krankenschwester und jeder Arzt mindestens zweimal auf die Stelle drückte, wo es am meisten weh tat. Nachher sagten alle mit einem Lächeln im Gesicht, dass das wohl der Blinddarm sei.“

Janis wurde in ein etwas größeres Krankenhaus gebracht und sollte dort nun operiert werden. Er hatte bereits zwei Monate zuvor Erfahrung mit thailändischen Krankenhäusern gesammelt, als sein Freund Timo aus München, an seinem Geburtstag ebenfalls am Blinddarm operiert werden musste. Beiden fiel auf, dass es im Operationssaal lediglich Geräte gab, die mit „Made in Germany“ versehen waren.

Am Ende blieb für beide Jungen eine Narbe am Bauch, die sie wohl immer wieder an ihre Erlebnisse erinnern wird. „Ich finde, unsere Narben sind besser als alle Tattoos, die sich andere Gastschüler als Erinnerung machen ließen“

Das Weihnachtsfest, was in Thailand nicht gefeiert wird, da es ein buddhistisches Land ist, erlebte Janis komplett anders als sonst. Es sollte dieses Jahr ohne Geschenke ablaufen. Aufgrund dessen, dass es ein Tag wie jeder andere sein würde, war die Spannung und die Vorfreude sehr klein. Es ging also recht schnell vorüber und das neue Jahr begann.

„Mit Erschrecken stellte ich fest, dass bloß noch 5 Monate übrig waren und ich sah meiner Rückkehr mit einigem Argwohn entgegen. Die Schule würde im Februar enden. Dann würde ich 3 Monate Ferien in Thailand verbringen.“

Im Februar fand dann die ‘Woche des Sportes‘ statt. Alle Klassen wurden einer von 5 Farben zugeteilt und würde dann gemeinsam um Siege kämpfen. Eine Woche lang würden die Wettkämpfe dauern. Janis und seine Klasse gehörten zum roten Team.

„Die Ferien kamen schneller als erwartet und ich musste mich beeilen, da ich noch einiges erleben wollte.“

Gleich am Anfang der Ferien machten sich Janis, Timo und sein Gastbruder auf den Weg um einige Tage im Nationalpark Phu Kra Dueng zu verbringen. Dieser liegt auf einem Hochplateau, das auf 1300 Metern Höhe liegt und nur zu Fuß zu erreichen ist. Die drei machten sich also auf den Weg hinauf und nach etwa 3 Stunden erreichten sie die Anhöhe. In der Mitte des Plateaus befinden sich Campingplätze und Mietshäuser. „Obwohl es im März noch um die 10°C waren, entschieden wir uns für den Zeltplatz.“ Die nächsten Tage verbrachten sie damit den Berg zu erkunden, Sonnenauf- und -untergänge von Felsklippen zu beobacheten und die wunderbare Natur zu bewundern.

„Nun hatte ich in meinem Austauschjahr viele nette Leute kennengelernt und auch vieles erlebt. Ich hatte mich ursprünglich für Thailand entschieden, weil ich den Buddhismus interessant fand. Nun wollte ich diesen etwas genauer kennenlernen.“

Zwei Wochen lang würde Janis nun als buddhistischer Mönch im Dorfkloster leben. Um Mönch zu werden ist es jedoch nötig, sich Haare und Augenbrauen abzurasieren. „Dieser Schritt kostete mich nicht viel Überwindung, da ich von der Sache überzeugt war.“

Er wurde vom Abt des Tempels als Mönch aufgenommen und erhielt auch seine zukünftige Kleidung. Die typisch orange-gelbe Robe.

Als Mönch muss man zwei Messen pro Tag abhalten. Eine morgens um 5:00 Uhr und eine abends um 19:00 Uhr. Nach der Morgenmesse geht man auf Almosenrunde durch das Dorf und sammelt Spenden in Form von Essen. In der Regel gibt es viel Reis, da die Landbevölkerung sehr arm ist. Kehrt man zum Tempel zurück, gibt es bald die einzige Mahlzeit am Tag. „Mit nur einer Mahlzeit am Tag lässt es sich ganz gut leben, sofern man sich ablenkt und an etwas anderes denkt. Ich habe dann häufig meditiert oder Bücher gelesen. Aber auch das Kloster musste jeden Tag aufs Neue geputzt werden. Leider vergingen die zwei Wochen viel zu schnell.“

Und wie jedes Austauschjahr neigte sich auch das von Janis dem Ende entgegen. Der Abschied fällt jedem schwer. Das letzte gemeinsame Essen im Lieblingsrestaurant, ein letztes Fußballspiel mit Kindern aus dem Dorf und zuletzt natürlich der allerschwierigste Abschied von allen: der von der Gastfamilie, die mittlerweile wie eine eigene geworden ist. „Dieser Abschied fiel mir sehr schwer, da ich meine Familie wirklich liebe. Auf der anderen Seite wusste ich natürlich auch was mich am anderen Ende der Welt-zu Hause- erwarten würde. Meine deutsche Familie.“

Ein letztes Treffen aller Gastschüler in Bangkok rundete das Austauschjahr dann ab. Alle sahen sich noch einmal wieder. Es wurden viele Versprechungen gemacht, dass man sich bald wieder besuchen würde. Jedoch herrschte eine gedrückte Stimmung, da alle zu wissen schienen, was sie erwartete: Der Heimflug.

„Schließlich und letztendlich lässt sich über mein Austauschjahr vieles sagen, vor allem aber, dass es viel zu kurz war.“

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